Außerhalb der USA gibt es derzeit auch in Kanada ein Projekt, das sich wissenschaftlich dem UAP-Phänomen nähert. Es handelt sich dabei um das Sky Canada Project, angetrieben vom Office of the Chief Science Advisor of Canada, namentlich von Prof. Mona Nemer, wissenschaftliche Chefberaterin Kanadas. Das Büro wurde 2017 gegründet, um als unabhängige Instanz die Regierung unparteiisch und wissenschaftlich zu beraten und Empfehlungen zu formulieren. So hat das Büro zuletzt zu Themen wie COVID-19, Aquakultur, wissenschaftliche Integrität und Open Science Berichte veröffentlicht (Government of Canada, 2024).
Das Sky Canada Project wurde 2022 ins Leben gerufen, um zu untersuchen, wie in Kanada mit UFO-Meldungen umgegangen wird (Government of Canada, 2025a). Über die Ergebnisse soll ein Bericht informieren, der im März diesen Jahres erscheinen soll. Vorab erschien dieser Tage ein vorläufiger Bericht mit einigen Ergebnissen und Empfehlungen, der als Preview bezeichnet ist (Government of Canada, 2025b). Am Ende dieses Beitrags kann der Bericht im Original gelesen werden. Im Jahr 2023 gab es eine kleine Präsentation zum Projekt, die ebenfalls unten zu finden ist.
Der Titel des Berichts weist auch gleich auf den Kern des Projekts hin: Management of public reporting of Unidentified Aerial Phenomena in Canada, also den Umgang mit UFO-Sichtungen in Kanada. Damit orientiert sich das Projekt inhaltlich an dem NASA UAP-Projekt, wo es ebenso vorrangig um die Erhebung und Dokumentation von UFO-Sichtungen geht. Der Bericht stellt insofern auch klar, dass es nicht um die spezifische Untersuchung einzelner Sichtungen geht oder darum, eine bestimmte Theorie zu beweisen oder zu widerlegen, namentlich genannt wird dabei die extraterrestrische Hypothese. So heißt es im Vorwort:
Unser Ziel war es, die derzeitigen Ressourcen und Verfahren für die Bearbeitung und Weiterverfolgung von UAP-Meldungen zu ermitteln, sie mit den besten Praktiken in anderen Ländern zu vergleichen und Empfehlungen für mögliche Verbesserungen zu geben. Dementsprechend konzentriert sich dieser Bericht auf die Dienste, die der kanadischen Öffentlichkeit für die Meldung von UAPs zur Verfügung stehen, und nicht auf die UAPs selbst; das Verständnis dieser Unterscheidung ist entscheidend für die Lektüre des Berichts. Beim Sky Canada Projekt geht es nicht darum zu untersuchen, was UAPs sind. Es geht darum, dass die Wissenschaft alle Menschen informiert und ihnen dient. (Office of the Chief Science Advisor of Canada, 2025, S. 3)
Dies wird auch auf der Projekt-Webseite prominent als Disclaimer hervorgehoben:
Es sei darauf hingewiesen, dass das Sky-Canada-Projekt nicht darauf abzielt, Daten aus erster Hand (wie Fotos, Zeugenaussagen usw.) zu erhalten und zu sammeln, und auch nicht darauf, das OCSA [Anm.: Büro der wissenschaftlichen Chefberaterin] zur Hauptanlaufstelle für Kanadier zu machen, die Beobachtungen oder persönliche Erfahrungen melden möchten. Außerdem soll es nicht die Existenz außerirdischen Lebens oder außerirdischer Besucher beweisen oder widerlegen.(Government of Canada, 2025a)
Zu den wichtigsten Empfehlungen des Berichts gehört die Einrichtung einer eigenen Stelle, vergleichbar der AARO in den USA, die Zeugenaussagen sammeln und untersuchen und über die Ergebnisse öffentlich informieren soll. Überhaupt wird die Transparenz über solche Aktivitäten im Bericht in den Mittelpunkt gestellt, so lautet die Schlussfolgerung:
Ein strukturierterer Ansatz für die Verwaltung der UAP-Berichterstattung in Kanada wäre aus vielen Gründen von Vorteil. Es würde die Transparenz erhöhen und Desinformation bekämpfen; außerdem würde es Kanadas Engagement für wissenschaftliche Strenge und Untersuchungen demonstrieren. Dadurch würde nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit gestärkt, sondern Kanada würde sich auch zusammen mit einigen seiner Verbündeten als führend in den weltweiten Bemühungen um die Aufklärung der Natur von UAPs positionieren.
Ein wissenschaftlich fundierter, kollaborativer Ansatz wird dazu beitragen, die Bedenken der Öffentlichkeit zu zerstreuen, UAPs zu entmystifizieren und möglicherweise wertvolle Erkenntnisse über Luftverkehrsphänomene zu gewinnen, die derzeit noch unerklärt sind. (Office of the Chief Science Advisor of Canada, 2025, S. 7)
Ein solches Büro sollte der kanadischen Weltraumbehörde CSA angeschlossen und von ihr geleitet werden. Dieser Ansatz orientiert sich an der französischen GEIPAN, die der französischen Weltraumagentur CNES angeschlossen ist. Inwieweit die CSA daran Interesse hat, bleibt abzuwarten, da sich ein Sprecher der CSA gegenüber CTVNews dahingehend geäußert hat, dass es noch zu früh sei, um zu entscheiden, welche Organisation am besten geeignet wäre, die Rolle der Verwaltung öffentlicher UAP-Daten zu übernehmen: "Die CSA ist eigentlich nicht an der Verwaltung von UAPs beteiligt, da diese normalerweise im Luftraum (innerhalb der Atmosphäre) und nicht im Weltraum gemeldet werden". (CTVNews, 2025).
Auch die kanadische Luftfahrtbehörde Transport Canada, die Informationen für den Bericht bereitgestellt hat, äußerte, dass man abwarte, welche konkreten Ergebnisse und Empfehlungen der Abschlussbericht beinhaltet. Nicht am Bericht beteiligt war das Innovation, Science and Economic Development (ISED) Canada, da es sich nicht mit UAP befasst (CTVNews, 2025).
Insbesondere wird im Bericht die bislang unsystematische und eher planlose Behandlung von UAP-Berichten kritisiert, wonach man solchen Berichten nur weiter nachgeht, sofern sich ein mögliches Sicherheitsrisiko abzeichnet, wobei von geschätzten, jährlichen 600 bis 1000 gemeldeten Sichtungen jährlich ausgegangen wird. Unter dem Abschnitt "Identifizierte Schwachstellen in Kanada" werden folgende Punkte mit Verbesserungspotential gelistet:
- Fehlen eines kohärenten und standardisierten Systems für die Berichterstattung und Nachverfolgung.
- Fehlender Einbeziehung der Öffentlichkeit.
- Begrenzte Analyse von UAP-Meldungen.
- Unzureichende wissenschaftliche Beteiligung.
- Bescheidene Anstrengungen zur Verbesserung der wissenschaftlichen Kompetenz, auch im Bereich der Planetenwissenschaften.
Erwähnt wird in dem Bericht, dass man sich die UAP-Berichterstattung in mehreren Ländern angeschaut hat, aber es kein einheitliches Modell oder einen einheitlichen Standard dazu gibt. Es wird dann auf Beispiele wissenschaftlicher Ansätze zur UAP-Berichterstattung hingewiesen, konkret auf die AARO in den USA, die SEFAA in Chile und die GEIPAN in Frankreich.
Das Kapitel mit Empfehlungen nimmt einen größeren Raum im Bericht ein, mit mehreren Abschnitten. Der Abschnitt Berichterstattung enthält den Vorschlag des Managements eingehender öffentlicher UAP-Meldungen seitens einer vertrauenswürdigen und wissenschaftlich arbeitenden staatlichen oder institutionellen Einrichtung, namentlich der CSA. Ferner soll eine spezielle Stelle zur Entgegennahme und Analyse eingehender Sichtungsmeldugen sowie der öffentlichen Information über die Ergebnisse. Hierzu sollte ein Netzwerk von staatlichen und akademischen Experten aufgebaut werden, die wissenschaftliche Analysen durchführen. Schließlich sollen die Meldekapazitäten in der Zivilluftfahrt verbessert werden. So solle Transport Canada das Flugpersonal ermutigen, UAP-Sichtungen zu melden und diese in Zusammenarbeit mit NAV Canada, der zivilen Flugsicherung in Kanada, zu analysieren und ggf. aufzuklären und darüber informieren. Diese Berichte sollten dann auch mit den Meldungen aus der Öffentlichkeit abgeglichen werden.
Der Abschnitt Kommunikation enthält verschiedene Punkte zur Verbesserung der kommunikativen Zusammenarbeit innerhalb staatlicher Institutionen, mit den Medien und der Öffentlichkeit. Auch hier ist ein zentraler Punkt die Transparenz und Information über aktuelle Erkenntnisse, um Fehlinformationen vorzubeugen.
Der Abschnitt Forschung schließlich enthält mehrere interessante Punkte, wie den erleichterten, öffentlichen Zugang zu Daten über UAP, die Unterstützung privater, wissenschaftlich orientierter Forschung im Rahmen der Bürgerwissenschaft („Citizen Science“), der Bereitstellung von Instrumenten und interaktiver Plattformen zur Datenerfassung und dem Aufbau in der Astronomie- und Weltraumforschung in Kanada.
Interessant sind auch die konsultierend herangezogenen Organisationen und Personen, die im Anhang A aufgelistet sind und was eine gewisse Offenheit zeigt. Unter den konsultierten Personen findet sich u.a. unser spanischer Kollege Vicente-Juan Ballester Olmos, der seit Jahrzehnten als Forscher und Autor auf dem Gebiet der UFOs international aktiv ist und u.a. auch zu den kanadischen UFO-Akten bereits publiziert hat. Ferner findet sich darunter auch der bekannte kanadische UFO-Forscher und Wissenschaftsautor Chris Rutkowski, der gegenüber CTVNews äußerte, "(dass) unabhängig davon, ob sich UAP als Drohnen, Flugzeuge, Sterne oder Satelliten herausstellen … eine ernsthafte, objektive und wissenschaftliche Untersuchung dieser anhaltenden Phänomene erforderlich ist. Der Bericht des Sky Canada Project legt den Grundstein für kanadische Forschung und Untersuchungen zur Natur von UAP" (CTVNews, 2025).
Der kanadische Wissenschaftler und emerit. Professor für Astronomie und Physik, Paul Delaney, zweifelt stark daran, dass es sich bei UAP um außerirdische Technologie handelt, räumt aber einen kleinen Prozentsatz ungeklärter Fälle ein. Er äußert sich an selber Stelle gegenüber CTVNews, dass zwar “... einige Berichte nicht identifiziert werden, aber das bedeutet einfach, dass mehr Daten benötigt werden. Deshalb gewinnen Bemühungen wie das Sky Canada Project an Dynamik. Es ist sehr wichtig, gute Daten zu sammeln und sie für eine genauere Untersuchung verfügbar zu machen und so das Stigma zu beseitigen, das mit solchen Beobachtungen verbunden ist".
Wie auch in den bisherigen UAP-Berichten der AARO und der NASA wird das Fehlen einer standardisierten und konsistenten Datenerhebung nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten kritisiert, was zu qualitativen Einschränkungen der vorhandenen Datenbasis führt. Auch hier liegt demzufolge der Fokus auf einer verbesserten Datenerhebung.
Einen großen Platz im Preview-Bericht nimmt dann das Ergebnis einer öffentlichen Befragung von etwas über 1000 Personen zum Thema UAP ein, das mehrere Fragen zur persönlichen Wahrnehmung des UAP-Themas, dem persönlichen Interesse daran, eigenen Sichtungserfahrungen und der Rolle der Regierung umfasste. Hervorzuheben ist daraus, dass 27% der Befragten angaben schon mal etwas gesehen zu haben, das sie nicht identifizieren konnten, aber lediglich 9% versucht haben, ihre Beobachtung bei einer Stelle zu melden. Fast 40% der Befragtem wüssten nicht, wem sie eine eigene Beobachtung melden sollten.
Hervorzuheben sind auch die bereits erwähnten und breit angelegten Konsultationen, die auch die Expertise seitens erfahrener privater Forscher umfassen. Also der genaue genaue Gegensatz zur ersten UAP Task Force des Pentagons, das noch rein von Aliengläubigen und Monsterjägern (Stichwort Skinwalker-Ranch) geprägt war; der Nachfolger AARO mittlerweile allerdings hier auch offener ist und so bspw. am kürzlichen gemeinsamen Zoom-Meeting von EuroUFO und UAP-Check teilgenommen hat, worin der GEIPAN-Direktor die Arbeit seiner Organisation darstellte.
Insgesamt also ein interessanter Bericht, ohne das sonst häufige Rumgeraune und Mystifizieren, der neugierig auf den kommenden Abschlussbericht macht.
Nachfolgend auszugsweise einige der Diagramme aus der Befragung, entnommen der Sky Canada-Projektseite (Government of Canada, 2025b). Den kompletten Bericht im Original gibt’s darunter zum Lesen.
» Der Bericht steht im Volltext auf der Projektseite des Sky Canada Project zur Verfügung, ergänzend auch als PDF «
Präsentation des Sky Canada Project aus dem Jahr 2023. Darin wurde noch Herbst/Winter 2024 für den Abschlussbericht genannt, der nun im März diesen Jahres erscheinen soll:
Quellen:
CTVNews (2025, 15. Januar) What we learned from Canada’s first UFO report in decades. https://www.ctvnews.ca/canada/article/ufo-report-released-in-canada-top-government-scientist-proposes-official-research-effort/
Government of Canada (2024, 23. Dezember). Office of the Chief Science Advisor. https://science.gc.ca/site/science/en/office-chief-science-advisor
Government of Canada (2025a, 15. Januar). Sky Canada Project. https://ised-isde.canada.ca/site/science/en/office-chief-science-advisor/sky-canada-project
Government of Canada (2025b, 15. Januar). Preview: Sky Canada Report from the Office of the Chief Science Advisor of Canada. https://ised-isde.canada.ca/site/science/en/office-chief-science-advisor/sky-canada-project/preview-sky-canada-report-ocsa
Office of the Chief Science Advisor of Canada (2025). Management of public reporting of Unidentified Aerial Phenomena in Canada. A preview of the upcoming Sky Canada Report. https://ised-isde.canada.ca/site/science/sites/default/files/documents/Sky-Canada-Preview-January-2025.pdf