Eine neue Studie aus den USA seitens renommierter Autoren sorgt aktuell für Schlagzeilen, nicht zuletzt, da darin von einem außerirdischen Mutterschiff samt Sonden die Rede ist, was erwartungsgemäß auch zu entsprechenden Schlagzeilen führt, wie dass Experten Alien-Mutterschiffe vermuten, oder Aliens Spionageschiffe schicken etc. Die Autoren der Studie, mit dem Titel "Physical Constraints on Unidentified Aerial Phenomena" (auf deutsch: "Physikalische Einschränkungen für unidentifizierte Luftphänomene"), sind der bekannte Harvard-Astronom Avi Loeb (Galileo-Projekt) und Sean M. Kirkpatrick (UAP-Büro AARO). Darin ist von einem „Mutterschiff/Sonden-Szenario“ die Rede, das als Annahme für die weitere Betrachtung möglicher fremdartiger Objekte im Luftraum getroffen wurde. Wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist, ist eine ganz andere Frage und auch nicht Gegenstand der Studie, die aktuell auch erst als Vorabstudie (Entwurf) vorliegt und die auch noch einer Peer-Review, also Begutachtung, unterzogen werden muss.
In einem aktuellen Blog-Beitrag thematisieren wir Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von AARO, aufgrund der Beteiligung von Kirkpatrick an der Studie.
Bezug genommen wird in der Studie neben Oumuamua auch auf das zweite interstellare Objekt (IM2), das sechs Monate vor der größten Annäherung von Oumuamua auf der Erde einschlug und bei dem Loeb ebenso ein künstliches außerirdisches Objekt vermutet und daher Fragmente davon heben will. Auch wenn zwischen den beiden Objekten kein unmittelbarer Zusammenhang gesehen wird, so sehen sie dennoch Ähnlichkeiten. In ihrem Szenario vergleichen die Autoren die Minisonden mit Löwenzahnsamen, der in der Luft langsam absinkt:
Die Übereinstimmungen zwischen einigen Bahnparametern von 'Oumuamua und IM2 regen uns jedoch zu der Überlegung an, dass es sich bei einem künstlichen interstellaren Objekt möglicherweise um ein Mutterschiff handeln könnte, das während seines nahen Vorbeiflugs an der Erde viele kleine Sonden freisetzt - ein operatives Konstrukt, das den NASA-Missionen nicht allzu unähnlich ist.
Dieser "Löwenzahnsamen" könnten durch die Gezeitengravitation der Sonne oder durch eine Manövrierfähigkeit vom Mutterschiff getrennt werden. Eine geringe Ausstoßgeschwindigkeit in der Ferne könnte zu einer großen Abweichung von der Flugbahn des Mutterschiffs in der Nähe der Sonne führen. Die Änderungen würden sich sowohl in der Ankunftszeit als auch in der Entfernung der nächsten Annäherung an die Erde niederschlagen. Bei richtiger Planung könnten diese winzigen Sonden die Erde oder andere Planeten des Sonnensystems zur Erkundung erreichen, wenn das Mutterschiff in einem Bruchteil des Abstands zwischen Erde und Sonne vorbeifliegt - so wie es 'Oumuamua getan hat. Die Astronomen könnten den Sprühnebel der Mini-Sonden nicht bemerken, da sie nicht genug Sonnenlicht reflektieren, um von den bestehenden Übersichtsteleskopen bemerkt zu werden, wenn sie die Größe von 10 cm der CubeSats oder kleiner haben. (...)Ausgestattet mit einem großen Verhältnis von Oberfläche zu Masse eines Fallschirms, könnten die technologischen "Löwenzahnsamen" in der Erdatmosphäre abbremsen, um ein Verglühen zu vermeiden, und dann ihre Ziele verfolgen, wo auch immer sie landen. Die derzeitige Radarabdeckung der meisten Länder der Ersten Welt ermöglicht die Erkennung dieser Objekte mit hohem Flächen-Masse-Verhältnis (HAMR) bis hinunter zu einigen Zentimetern, je nach Material, was die Erkennbarkeit ermöglicht.
Im Nahbereich eines Sterns könnten außerirdische technologische Sonden das Sternenlicht zum Aufladen ihrer Batterien und flüssiges Wasser als Treibstoff nutzen. Dies würde erklären, warum sie die bewohnbare Region um Sterne anvisieren, wo es auf der Oberfläche von Gesteinsplaneten mit einer Atmosphäre wie der Erde flüssiges Wasser geben könnte.
Die Autoren klammern philosophische Fragen über den Besuch von Außerirdischen, die im Zusammenhang mit UFOs/UAP standardmäßig auftreten, aus und setzen ihren Schwerpunkt auf die Physik von angeblich „hochmanövrierfähigen“ UAP. In der Zusammenfassung heißt es u.a.:
"Auf der Grundlage der Standardphysik und bekannter Formen von Materie und Strahlung leiten wir physikalische Einschränkungen für die Interpretation "hochmanövrierfähiger" unidentifizierter Luftphänomene (UAP) ab. Insbesondere zeigen wir, dass die Reibung von UAP mit der umgebenden Luft oder dem Wasser eine helle optische Feuerkugel, eine Ionisationshülle und einen Schweif erzeugen sollte, was auf Radiosignaturen schließen lässt."
Festgestellt wird jedoch, dass viele der untersuchten UAP keine solcher Signaturen aufweisen, obwohl sie durch die angeblich hohe Geschwindigkeit und die Manövrierfähigkeit zu erwarten wären. Trotz der scheinbaren Anzeichen, dass etwas Außerirdisches im Gange sein könnte, wird in dem Papier daher betont, dass solche Anomalien auch mit banaleren Mitteln erklärt werden könnten, d.h. dass unsere Instrumente einfach nicht empfindlich genug sind, um zu verstehen, was vor sich geht, da es keine der o.g. Signaturen gibt. Die Autoren schreiben dazu:
"Das Fehlen all dieser Signaturen könnte zu ungenauen Entfernungsmessungen (und damit daraus abgeleiteten Geschwindigkeiten) für Sensoren an einem einzigen Standort führen, die keine Möglichkeit zur Entfernungsmessung bieten. Typische UAP-Sichtungen sind zu weit entfernt, um ein hochaufgelöstes Bild des Objekts zu erhalten, und die Bestimmung der Bewegung des Objekts wird durch das Fehlen von Entfernungsdaten eingeschränkt."
Mit anderen Worten, diese UFOs könnten nichts anderes als sensorinduzierte, optische Täuschungen sein, was in ähnlicher Form auch in den UAP-Berichten des Pentagons erwähnt wird, und dass die bisher vorhandenen Sensordaten zu UFOs nicht detailliert genug und zu ungenau sind, um die tatsächliche Existenz der Flugobjekte nachzuweisen zu können. Technische Ausführungen in der Studie beschreiben Antriebsmethoden, optische Emissionen und andere beobachtbare Signaturen.
In den Schlussfolgerungen zur Studie heißt es:
"Die Überlegungen in diesem Papier implizieren eine nützliche Einschränkung der Beobachtungen von UAP, die die hypothetischen Erklärungen begrenzen und Einschränkungen bei der Interpretation von Daten unterstützen können. Einer der häufigsten Datensätze in den Beständen des Militärs stammt zum Beispiel von FLIR (Forward Looking Infrared) Pods. Diese Sensoren liefern ein genaues, aufgelöstes Bild der relativen Wärmemessungen am Ort des Geschehens. Typische UAP-Sichtungen sind zu weit entfernt, um ein hoch aufgelöstes Bild des Objekts zu erhalten, und die Bestimmung der Bewegung des Objekts ist durch das Fehlen von Entfernungsdaten eingeschränkt. Die Entfernung wird in der Regel anhand der Flugdynamik der Plattform und einiger fester Punkte in der Scenerie geschätzt - sofern diese verfügbar sind. Der Fehler bei der Entfernungsschätzung führt zu einer erheblichen Schwankung der berechneten Geschwindigkeit und unterliegt menschlichen Verzerrungen und Fehlern.
Behauptungen über Objekte, die den Trans- bis Überschallbereich überschreiten, sollten vor dem Hintergrund der oben genannten physikalischen Faktoren wie Ionisierung, Radarreflexion, Temperatur, Überschallknall und Feuerbälle bewertet werden (Loeb 2022b). All diese Faktoren können die Geschwindigkeit effektiver und genauer begrenzen und somit die Berechnung der Reichweite beeinflussen. Dies wiederum ermöglicht in Verbindung mit den spezifischen Eigenschaften des Sensors bessere Schätzungen der Größe, Form und Masse des betreffenden Objekts.“
Was die Studie allerdings nicht erwähnt, ist, dass die Beschreibungen außergewöhnlicher Flugmanöver unbekannter Flugobjekte im Wesentlichen auf Zeugenaussagen beruhen und nicht auf, soweit bekannt, konkreten Messdaten. Daher sprechen schon die vorangegangenen UAP-Berichte über "anscheinende" ungewöhnliche Flugmanöver ("... scheinen ungewöhnliche Flugcharakteristiken oder Leistungsfähigkeiten aufzuweisen... "). Aber gerade auch für den menschlichen Zeugen als nach wie vor „Hauptinstrument“ für die Mitteilung von UAP-Beobachtungen gelten die oben genannten Einschränkungen und die Fehleranfälligkeit in besonderer Weise. Lediglich in den Schlussfolgerungen wird kurz auf menschliche Verzerrungen und Fehler hingewiesen.
Avi Loeb, der im Jahr 2021 das Galileo-Projekt zur Untersuchung von UAP ins Leben rief, bleibt hier, trotz seiner Offenheit für die außerirdische Hypothese, erfreulich skeptisch gegenüber der aktuellen Ausbeute an unscharfen ("out-of-focus") Daten. Letztlich genau das, was der bekannte UFO-Skeptiker Mick West als „Low Information Zone“ beschreibt, als Grund dafür, dass derartige Fotos und Videos unidentifiziert sind, eben weil man nicht erkennt, was sie tatsächlich sind.
Bereits zuvor hat Loeb auf die fragwürdige Datenqualität hingewiesen: "Eine Million unscharfer Bilder sind wertlos im Vergleich zu einem einzigen hochauflösenden Video, das ein Objekt während seiner Bewegung auflöst". Zwar sind für ihn die Berichte von Militärangehörigen faszinierend und motivierend, aber er möchte es nicht bei anekdotischer Evidenz belassen sondern, dass seine Instrumente ihm sagen, was wirklich passiert, deshalb hat Loeb im Rahmen des Galileo-Projekts ein speziell angefertigtes Observatorium entwickelt, das den Himmel im Infrarot-, optischen und Radioband analysieren kann. Observatorien wie diese müssten in den gesamten USA, und schließlich weltweit, aufgestellt werden, um UAP-Daten zu sammeln, die detaillierter sind als die, die das Militär in der Vergangenheit gesammelt hat.
Inwieweit ein derartiges, weltweites Beobachtungsnetzwerk realistisch ist und die erwarteten Resultate bringt, ist die Frage. Müsste ein außerirdisch begründetes Phänomen, das sich seit Jahrzehnten (oder noch länger) am Himmel zeigt, nicht längst nachgewiesen sein? Auch das seltenere und schwieriger zu beobachtende Blitzphänomen in der oberen Atmosphäre war bis zu dessen (fotografischem) Nachweis quasi ein UAP, da es zwar seltene Beobachtungen, auch von Piloten, davon gab, man dies aber abtat, bis man schließlich mittels Fotografie eindeutige Nachweise erbringen konnte, das innerhalb weniger Jahre. Aktuell gelingen auch Hobbyfotografen hochauflösende, scharfe und faszinierende Fotos dieses Phänomens. Warum gibt es das nicht auch von UFOs?
Im Moment scheinen einige Wissenschaftler und Institutionen mit unterschiedlichen Projekten daran interessiert zu sein, die wissenschaftliche Diskussion über UAP glaubwürdiger zu gestalten, allerdings benötigt man dafür deutlich bessere Daten, mit denen man arbeiten kann, um weitere Schlussfolgerungen zu ziehen. Auch die Methodik der Untersuchungen steht im Raum, was bspw. gerade die angestrebte NASA-Studie als Schwerpunkt hat. Nichtsdestotrotz sollt man dabei nicht die jahrzehntelange, erfolgreiche Untersuchungs- und Forschungsarbeit der privaten UFO-Forschung und auch die anderer Wissenschaftsbereiche vergessen, die bereits mannigfaltige Erkenntnisse erbracht hat.
Quellen:
Loeb, A. & Kirkpatrick, S. M. (2023). PHYSICAL CONSTRAINTS ON UNIDENTIFIED AERIAL PHENOMENA. Online: https://lweb.cfa.harvard.edu/~loeb/LK1.pdf
Bild: „Aliens schicken Spionageschiff“
t-online: „Pentagon-Experte hält Alien-Mutterschiffe für möglich“
Forschung und Wissen: „UFOs trotzen physikalischen Gesetzen“
Popular Mechanics: "'Highly Maneuverable' UFOs Defy All Physics, Says Government Study"
Scientific American: "Scientists Try to Get Serious about Studying UFOs. Good Luck with That“