Leidet die Glaubwürdigkeit von AARO?

Im März gab es die Vorabveröffentlichung einer gemeinsamen Studie von Avi Loeb (Galileo-Projekt) und Sean M. Kirkpatrick (Direktor von AARO), die ein recht spekulatives Szenario thematisierte, das auf Loebs These beruht, dass der interstellare Besucher Oumuamua nicht natürlichen Ursprungs bzw. ein außerirdisches Sonnensegel gewesen sein könnte (siehe dazu unseren Blog-Beitrag). Das in der Studie angenommene Szenario geht davon aus, dass ein derartiges außerirdisches Objekt möglicherweise ein Mutterschiff sein könnte, das kleine Sonden während eines Vorbeiflugs an einem geeigneten Planeten freisetzt. Ein Konstrukt, das NASA-Missionen nicht unähnlich sei, wie Kirkpatrick ausführte.

Neben den vom Pentagon bereits erfassten und untersuchten UFO-/UAP-Sichtungen wird dabei auch auf ein zweites interstellares Objekt (IM2), das Monate vor Oumuamuas größter Annäherung an die Erde hier einschlug, Bezug genommen. Da man dabei von eher kleinen Mini-Flugobjekten ausgeht, könnten diese von Astronomen nicht bemerkt werden. Ob dann solche Minisonden für die letzten oder überhaupt UFO-Sichtungen verantwortlich gewesen sein können, erscheint uns aber dann doch auch fraglich, schaut man sich die diversen Schilderungen an und auch das, was die Meldestellen hier so gemeldet bekommen.

Verglichen werden die Sonden mit „Löwenzahnsamen“, der in der Atmosphäre langsam absinkt; so könnten die Sonden langsam abbremsen, ohne in der Atmosphäre zu verglühen. Während ihres Fluges zu den Planeten könnten die Sonden das Licht des Sterns zur Energiegewinnung nutzen, sowie flüssiges Wasser auf den Planeten. Ein Ziel solcher Missionen könnte sein, dass die "Samen" den Bauplan ihrer Absender weitergeben. Ebenso könnten die Rohstoffe auf der Planetenoberfläche auch als Nährstoffe für die Selbstreplikation oder einfach zur wissenschaftlichen Erforschung verwendet werden.

Im Ergebnis der Studie wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass es keine Belege dafür gibt und auch die bisherigen, sensorgestützten Nachweise nicht das Erwartete widerspiegeln, bzw. typische Signaturen fehlten, was auf ungenaue Messungen hindeutet, so dass es für die diversen Sichtungen auch andere Erklärungen geben könnte.

Soweit so bekannt. Wie das Nachrichtenportal Politico in einem aktuellen Artikel dazu schreibt, erscheint es ungewöhnlich, dass ein hoher Regierungsbeamter und Leiter des UAP-Büros noch während der Anfangsphase der Untersuchungen und dem Sammeln von Informationen zu den jüngsten Sichtungen bereits über die außerirdische Herkunft spekuliert, auch wenn manche hohen Regierungsbeamte dies nicht ausschließen, wenn sie gefragt werden. Auch heise online thematisiert das erneut in einem Beitrag.

Auch wenn man das als Signal an die akademische Welt sehen kann, für eine Offenheit in der UFO-Debatte, so gilt deren These in der akademischen Welt jedoch nach wie vor als höchst unbegründet. Dass der AARO-Leiter in der momentanen Situation, mit eher noch unsicherer Datenlage, beginnt über Außerirdische zu spekulieren, wirft durchaus Fragen zur Glaubwürdigkeit des UAP-Büros auf, so Politico:

Kirkpatrick ist ein angesehener Wissenschaftler und Geheimdienstler mit mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung im Studium der Physik und in der Arbeit im Bereich der Verteidigungsaufklärung. Er bekleidete Spitzenpositionen im Verteidigungsministerium, im U.S. Space Command, im Nationalen Sicherheitsrat und in allen Nachrichtendiensten und wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Vor seiner jetzigen Position war er zuletzt als leitender Wissenschaftler im Zentrum für Raketen- und Weltraumaufklärung der DIA tätig.

Doch Experten zufolge könnte seine Verbundenheit mit dem Papier die Glaubwürdigkeit des Amtes untergraben.

Selbst Alejandro Rojas, Vorstandsmitglied der Scientific Coalition for UAP-Studies (SCU), die sicherlich nicht als ‚UFO-Skeptiker‘ gelten, und Leiter für Inhalt und Forschung bei Enigma Labs, die in Sachen UAP-Reporting aktiv sind, äußert sich lt. Politico zurückhaltend:

"Es ist ein schmaler Grat, denn es gibt 'offen sein für spekulative Ideen' wie diese, aber das kann in eine tatsächliche Unterstützung dieser Möglichkeit übersetzt werden, und ich denke, da muss mehr Klarheit herrschen. (...) Es sieht so aus, als ob [das Verteidigungsministerium] einige wirklich wilde Ideen unterstützt, die bisher als unbegründet angesehen werden."

Bislang liegen noch keine offiziellen Stellungnahmen seitens des Verteidigungsministeriums bzgl. des Papiers vor. 

Interessant ist auch, wie Politico schreibt, dass das Papier auf Initiative von Kirkpatrick zustande kam, nachdem er Loeb im letzten Herbst kontaktiert hatte und sich mit ihm treffen wollte, so Loeb in einem Interview. Während des Treffens drängte Kirkpatrick Loeb, eine Arbeit über das Phänomen zu schreiben. Loeb zufolge gibt es keine Beweise für die Vermutung, dass es sich bei den unbekannten Flugobjekten um außerirdische Sonden handelt. Dass Kirkpatrick "aus heiterem Himmel" zu ihm kam, deutet darauf hin, dass "es da draußen etwas gibt, das sie nicht verstehen, und Wissenschaftler könnten möglicherweise helfen", so Loeb.

Die Frage steht auch im Raum, ob im Zuge der Erstellung des Papiers interne Dokumente und Informationen aus dem Verteidigungsministerium bzw. dem UAP-Büro AARO dadurch an Dritte weitergegeben wurden. Loeb zufolge hatte er aber keinen Zugang zu geheimen Informationen, ebenso bekommt er keine finanziellen Mittel für sein Galileo-Projekt.

Kritisch zum Papier äußert sich David Jewitt, Professor für Astronomie an der Universität von Kalifornien in Los Angeles, der zudem die Kompetenz der US Air Force in Frage stellt, Politico zitiert ihn:

David Jewitt, Professor für Astronomie an der Universität von Kalifornien in Los Angeles, sagte, einige der Behauptungen in dem Papier, das nicht von Fachleuten überprüft wurde, seien "höchst fragwürdig".

Er nannte die Tatsache, dass Kirkpatrick ein Mitautor des Papiers ist, "merkwürdig".

"Die Air Force ist sehr gut darin, Dinge zu bombardieren, aber was ihre Forschung über UFOs angeht, würde ich ihnen so weit trauen, wie ich sie werfen kann", sagte Jewitt und erinnerte daran, dass 1948 ein Air Force-Pilot bei der Verfolgung eines UFOs, das sich als Venus herausstellte, abstürzte.

"Es ist nicht klar, dass die Luftwaffe und die militärischen Fähigkeiten am besten für die Erforschung von Außerirdischen geeignet sind". 

Jewitts Hinweis auf den tödlichen Unfall verweist auf den bekannten Vorfall des Piloten Thomas F. Mantell, der bei der Verfolgung eines hellen Objekts am Himmel infolge höhenbedingten Sauerstoffmangels abstürzte. Allerdings wird als Ursache neben der Venus, die damals auffällig hell am Himmel stand, auch ein geheimer Skyhookballon als wahrscheinlichere Ursache diskutiert.

Daneben gibt es auch Stimmen, wie die der Senatorin Kirsten Gillibrand, die sich stark für das neue UAP-Büro AARO einsetzte, dass die Autoren in ihren Fachgebieten äußerst kompetent seien und sie auf deren „wissenschaftliche Strenge“ vertraue.

Letztlich muss sich jede Studie nicht nur an einer Peer Review, sondern auch an weiteren, bestätigenden Studien messen lassen, wobei das Papier in seinen Schlussfolgerungen eher zurückhaltend ist.

Verweise
ufoinfo.de "Sind UAP Sonden eines Alien-Mutterschiffs?"
Link zur Studie (PDF): https://lweb.cfa.harvard.edu/~loeb/LK1.pdf
heise online: „US-Ufo-Chef: Unbekannte interstellare Objekte könnten Alien-Mutterschiff sein“
Politico: „Alien motherships: Pentagon official floats a theory for unexplained sightings“
Military.com: „The First Air Force Pilot to Die Chasing a UFO Was Actually Chasing a Secret Balloon“

 

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