Neulich haben wir über die neuen Richtlinien bei der Navy berichtet und dabei bereits darauf hingewiesen, dass dies eher nichts damit zu tun hat, dass das US Militär auf die Idee käme, dass uns außerirdische Raumschiffe besuchen, wie das insbesondere von der TTSA unermüdlich promotet wird. Schon immer werden Dinge gesehen, die wir nicht (auf Anhieb) erklären können und zum größten Teil auf Fehlinterpretationen natürlicher Phänomene bzw. herkömmlicher Objekte beruhen. Dies betrifft nicht nur Dinge am Himmel, sondern bspw. auch Beobachtungen über angebliche unbekannte Wesen zu Lande oder im Wasser, die zuweilen einen sehr banalen Ursprung haben. Ein aktuelles Beispiel sind "UFO-Meldungen" aufgrund des Raketenstarts der Space X Starlink-Satelliten, die viele Menschen verwirrten. Falsche Intepretationen dessen, was Menschen am Himmel sehen und sich nicht erklären können, beruhen im Wesentlichen auf unvollständigen Informationen und fehlenden Erfahrungen darüber, wie herkömmliche Phänomene und Objekte erscheinen können, was letztlich zur Verwirrung führt.
Das kann allen Menschen passieren und eben auch Piloten, wenn sie Dinge beobachten, die sie nicht unmittelbar identifizieren können. Vor diesem Hintergrund geht der Professor Iain Boyd, ehemals wissenschaftlicher Berater der U.S. Luftwaffe, in einem Beitrag auf Phys.org davon aus, dass das Pentagon genau diese Art von Verwirrung vermeiden und die Hintergründe der Beobachtungen nicht identifizierter Flugobjekte besser verstehen möchte, die trotz fortgeschrittener Technologien zur Identifizierung seltsamer Dinge am Himmel gemacht werden. Denn bei allen militärischen Missionen hat man das Problem bei solchen Beobachtungen, dass man nicht weiß, was dahinter steckt, ist es freundlich oder feindlich? Stellt es eine Bedrohung dar oder ist es eher neutral.
Boyd verweist hierzu auf den militärischen Begriff der "situational awareness", also dem "Situationsbewusstsein", der das vollständige Verständnis der Umgebung, in der militärische Operationen stattfinden, und was sich darin befindet, beinhaltet. Ein nicht identifiziertes Objekt ist eine Lücke in diesem Verständnis, die die Piloten dann über Anfragen an die Flugsicherung versuchen zu schließen. Boyd führt dazu den Höchststand an UFO-Sichtungsmeldungen (über 8000 im Jahr 2014) an, und dass dokumentierte Vorfälle trotz zahlreicher Zeugen und weiterer Aufzeichnungen ungelöst blieben. Dabei referenziert er auf das FLIR-Nimitz-Video, welches allerdings einige Fragen aufwirft und wie die anderen FLIR-Videos in der Kritik steht (dazu an anderer Stelle mehr). Zudem verzeichnen die Sichtungsmeldungen seit 2015 einen starken Rückgang.
Die Berichterstattung zu Beobachtungen von UFOs böten dem Militär die Möglichkeit, Identifikationsprozesse zu verbessern, so Boyd: "Zumindest ein Teil dieser Arbeit könnte in Zukunft von automatisierten Systemen ausgeführt werden, und möglicherweise in Echtzeit, wenn sich ein Vorfall ereignet. Militärfahrzeuge - Humvees, Schlachtschiffe, Flugzeuge und Satelliten - werden von Sensoren erfasst. Es sind nicht nur passive Geräte wie Radioempfänger, Videokameras und Infrarotbilder, sondern auch aktive Systeme wie Radar, Sonar und Lidar. (...) Sensoren können eine Fülle von Informationen zu UFOs liefern, einschließlich Reichweite, Geschwindigkeit, Kurs, Form, Größe und Temperatur. Bei so vielen Sensoren und Daten ist es jedoch eine Herausforderung, die Informationen zu etwas Nützlichem zusammenzuführen. Das Militär arbeitet jedoch verstärkt an Autonomie und künstlicher Intelligenz . Eine mögliche Anwendung dieser neuen Technologien könnte darin bestehen, sie zu kombinieren, um all die vielen Signale zu analysieren, die von Sensoren eingehen, und dabei alle Beobachtungen zu trennen, die nicht identifiziert werden können. In diesen Fällen kann das System sogar Sensoren für Fahrzeuge in der Nähe oder Satelliten in der Umlaufbahn zuweisen, um zusätzliche Informationen in Echtzeit zu erfassen. Dann könnte es ein noch vollständigeres Bild zusammenstellen."
Ziel sei es demnach, ein möglichst komplettes Bild der beobachteten Objekter zu zeichnen um so das 'U' für unidentifiziert aus 'UFO' herauszunehmen und mit einem 'I' für identifiziert zu ersetzen. Ein erfolgreicher Einsatz intelligenter Systeme zur identifizierung setze jedoch eine entsprechende Programmierung und Abwägung verfügbarer Daten voraus, was wiederum ein entsprechendes Verständnis der UFO-Beobachtungen voraussetzt.
Boyds Ansicht nach "... ist der neue Ansatz der Marine zur Meldung von UFO-Begegnungen ein guter erster Schritt. Dies kann schließlich zu einem umfassenden, vollständig integrierten Ansatz für die Objektidentifizierung führen, bei dem die Daten vieler Sensoren durch Anwendung künstlicher Intelligenz und Autonomie zusammengeführt werden. Nur dann gibt es immer weniger UFOs am Himmel - weil sie nicht mehr unbekannt sind."
Boyds Kernaussage ist also eine rein militärisch begründeten Sichtweise auf UFO-Beobachtungen und dem daraus resultierenden Bedürfnis, dahinter steckende natürliche Phänomene und Objekte besser zu identifizieren, um Fehlinterpretationen weitgehend zu minimieren. Aber nicht nur Bilderkennungsalgorithmen sind in der Objekterkennung noch fehlerhaft, wie Boyd erwähnt, sondern gerade neue Systemen können zu Beginn fehleranfällig sein, wie im Zusammenhang der zuletzt thematisierten Pilotensichtungen mittels Radar als eine Ursache vermutet wird.
Ein anderes Problem einer automatisierten Identifizierung herkömmlicher Objekte und Phänomene ist deren vielfältige Erscheinungsweise unter der sie auftreten und die unterschiedlichen Bedingungen, unter denen sie wahrgenommen werden können. Das erschwert eine eindeutige Ein- und Abgrenzung hinsichtlich einer automatisierten identifizierung, vor allem bei rein subjektiven Beobachtungen. Das zeigt das lange Bemühen der UFO-Forschung um Prüfschemata bzw. Expertensysteme zur identifizierung fehlinterpretierter herkömmlicher Objekte, die an entsprechende Grenzen stoßen. Zudem treten immer wieder neue Objekte oder Phänomene als Stimuli in Erscheinung, die auch erfahrene Falluntersucher erstmal verwirren, bis man deren wahre Natur erkennt.